Die wichtigsten Weisheiten der Börsengurus
„Die Börse reagiert zu zehn Prozent auf Fakten.
Alles andere ist Psychologie.“
André Kostolany 1906 – 1999
Kostolany war die Personifizierung der Börsenspekulanten.
Zahlreiche Bücher und die grosse Medienpräsenz bis vor seinem
Tod machten ihn weit über die Handelssäle hinaus bekannt. In
unzähligen Bonmots zog er oft und gerne über Analysten,
Charttechniker und Börsenspiele vom Leder.
Amerikanische Wissenschaftler haben berechnet, dass nur gerade 20
Prozent der Kurssteigerungen der Neunzigerjahre auf höhere
Unternehmensgewinne zurückzuführen waren. Nicht weniger als 80
Prozent fussten auf steigenden Kurs-Gewinn-Verhältnissen. Fliesst
Geld in den Aktienmarkt, führt dies zu höheren Aktienkursen. Dies
zieht wiederum mehr Geld an und so weiter. Ebenso schnell kann das
Kapital wieder abgezogen werden, wie die jüngere Börsengeschichte
zeigt. Diese Zu- und Abflüsse gründen damit vornehmlich auf
psychologischen Momenten.
Optimismus und Pessimismus der Investoren sind dafür
verantwortlich, dass die Börsenentwicklung nicht gradlinig,
sondern in Zyklen erfolgt. Immerhin, eine alte Faustregel der
Börsianer besagt, dass die Hausse rund dreimal länger dauert als
die Baisse. Anleger sind eigentlich also grundsätzlich
optimistische Zeitgenossen.
Stichworte: Behavioral Finance,
Technische
Analyse
„Das Geheimnis des Börsengeschäfts liegt darin, zu erkennen,
was der Durchschnittsbürger glaubt, das der Durchschnittsbürger
tut.“
John Maynard Keynes 1883 – 1946
Bekannt gemacht haben Keynes vor allem seine Beiträge zur
Wirtschaftspolitik und Geldtheorie. Mit der Forderung, den
Staatshaushalt zum wichtigsten Instrument der Wirtschaftspolitik
zu machen, spaltet der Keynesianismus die Volkswirtschaftslehre
bis heute. Der Brite aus Cambridge war Dozent und
Chefdelegierter des britischen Schatzamtes bei der Pariser
Friedenskonferenz von 1919. Weniger bekannt ist, dass er als
Investor und Spekulant Erfolge feierte.
Wer an der Börse eine aktive Strategie verfolgt, muss nicht nur
Börsenbewegungen antizipieren können. Er oder sie muss darüber
hinaus Annahmen über die Erwartungen der Marktteilnehmer
hinsichtlich der Börsenbewegungen treffen. Diese beruhen in der
kurzen und mittleren Frist hauptsächlich auf der psychologischen
Befindlichkeit der Marktteilnehmer (siehe hierzu auch den
VPI-Sentiment-Index!). Davon zeugt auch die Beobachtung von André
Kostolany oben.
So rational die Argumente für eine Kursbewegung in diese oder jene
Richtung auch sein mögen, sie schlagen sich nicht ohne das
Psychologische in den Notierungen nieder. Börsen können sich
erwiesenermassen über längere Zeiträume irrational verhalten (die
Behavioral Finance-Theorie beschäftigt sich mit diesem Phänomen).
„Es gibt nichts, was so verheerend ist, wie ein rationales
Anlageverhalten in einer irrationalen Welt“, ergänzte Keynes.
Stichworte: Behavioral Finance,
Technische
Analyse, Charts
„Geduld ist die oberste Tugend des Investors“
Benjamin Graham 1894 – 1976
Seine Sporen verdiente sich der gebürtige Brite bei der New
Yorker Newberger, Henderson & Loeb ab. In nur sechs Jahren
avancierte er dort vom Läufer zum Partner. Er gründete seine
eigene Firma und folgte kurz darauf dem Ruf der Columbia
University. Der Lehre blieb er trotz seiner grossen
Börsenerfolge treu. Zu seinen berühmtesten Schülern gehörte und
anderem Warren Buffet.
Was Graham mit dieser Regel meint, hat wiederum Kostolany auf den
Punkt gebracht: „Einer Strassenbahn und einer Aktie darf man nie
nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt mit Sicherheit.“ Diese
Tugend kommt nicht nur beim Kaufen, sondern auch beim Verkaufen zum
Tragen.
Seine Börsenregel ist stark von der Strategie geprägt, ausgewählte
Aktien mit einer gesunden Bilanz und grossem Wachstumspotential zu
kaufen und langfristig zu halten („Buy and Hold“-Strategie.
Graham, Warren Buffet und André Kostolany sind deren bekannteste
Verfechter. Allerdings kaufen ihre Vertreter nicht um jeden Preis,
sondern nur fundamental günstig bewertete Papiere
(Value-Investing). Ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis oder ein hohes
Kurs-Buch-Verhältnis kann zum Beispiel ein Zeichen dafür sein,
dass diese „Strassenbahn“ bereits abgefahren ist. Als Anleger muss
man vom weiteren Gewinnwachstum sehr überzeugt sein, wenn man auch
dann noch einzusteigen bereit ist. Viel besser ist es allerdings,
sich am Markt nach Alternativen umzusehen. Unüberlegtes Handeln
ist demgegenüber der schlechteste aller Ratgeber.
Stichworte: Fundamentale
Aktienanalyse, Value-Investing
„Übereinstimmung ist kein Garant für Wahrheit“
George Soros *1930
Der amerikanisch-ungarische Investor ist seiner waghalsigen
Spekulationen gegen Regierungen und Zentralbanken wegen beliebt
und verhasst. Nach der Flucht vor dem Kommunismus studierte er
in London Ökonomie, aber auch die Werke des Philosophen Karl
Popper. In den USA legte er den Grundstein für die Soros Fund
Management mit zahlreichen risikoreichen Hedge Funds.
Es gibt gute Gründe, vorsichtig zu sein, wenn alle Experten einer
Meinung sind. Dazu die folgende Börsenweisheit aus unbekannter
Quelle: „Ich habe mit vielen Schafen gesprochen. Sie wissen, dass
sie in die falsche Richtung laufen. Sie wollen die Richtung aber
nur ändern, wenn sie sicher sind, dass ihnen der Rest der Herde
folgt.“
Dieses Phänomen lässt sich wiederum mit dem grossen Einfluss der
Psychologie auf das Marktgeschehen begründen. Das Risiko, mit der
eigenen Meinung allein im Regen zu stehen, ist für professionelle
Börsenexperten(Analysten, Bank- und Finanzberater etc.) nicht
unerheblich. Für ihre Meinungsbildung gilt darum: „Es ist viel
sicherer, mit der Mehrheit falsch zu liegen, als alleine recht zu
haben“ (John Kenneth Galbraith). Für den privaten Anleger sieht
die Sache etwas anders aus : In Sachen Börsengeschäfte gilt die
eigene Meinung am meisten. Es ist schliesslich ihr Geld, dass sie
gewinnen oder verlieren (im Gegensatz zu angestellten „Experten“)!
Gerade hierin liegen aber auch die grossen Chancen für Sie als
Privatinvestor.
Nur weil eine Aktie fällt, heisst das noch lange nicht, dass
sie nicht noch weiter fallen kann.“
Peter Lynch *1944
Peter Lynch begann seine berufliche Karriere bei Fidelity
Investments in Boston und ist heute Vizepräsident der Fidelity
Group of Funds. Seinen Ruf als exzellenter Stock –Picker und
Börsenhändler erwarb er sich als Manager des Fidelity Magellan
Fund. Von 1977 bis 1990 erzielte er mit ihm Schwindel erregende
Gewinne.
Es gibt mindestens zwei Gründe, die vorangegangene Börsenweisheit
(siehe oben) in den Wind zu schlagen. Private Investoren sollten
die Finger von Käufen lassen, wenn die Börse kracht. Für
Aussenstehende (und meistens auch für „Experten“) ist es fast
unmöglich einzuschätzen, auf welchem Niveau die Kurse einen Boden
finden werden. Im Weiteren – und das ist sehr wichtig – sind von
Titeln die Finger zu lassen, die auf Grund überraschender
Unternehmensnachrichten massiv korrigieren. Nach dem
sprichwörtlichen fallenden Messer soll man nämlich keinesfalls
greifen.
Wer ohne fundierte Branchen- und Unternehmenskenntnis auf den
Turnaround setzt, hat grossen Chancen, sein Kapital zu verlieren.
Und zu guter Letzt:
„Höre nie auf Gurus!“
Ralph Acampora *1942
In seiner über 30-jährigen Tätigkeit als Chartist, u.a. als
Direktor der technischen Analyse bei der amerikanischen
Investment Bank Prudential Services, half er 1970 der Market
Technicians‘ Association aus der Taufe. Die Organisation vereint
über 4000 Analysten rund um den Globus.
Auch Kostolany wusste: „Börsengurus (und Banken, die Red.)
empfehlen oft genau die Aktien, die sie selbst zu einem guten Kurs
loswerden wollen.“ Acampora weiter: „Schliesse Dich niemals einer
Meinung an, auch nicht meiner.“. Ob sich dieser Ratschlag auch auf
seine Börsenregel bezieht, bleibt offen. Um diesen
Zirkumpularschluss zu vermeiden, halten wir uns also so oder so an
Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“